Transsibirische Eisenbahn – On Track to Tobolsk

20. – 22. August 2019

Unser Plan, noch schnell auf dem Weg zum Zug einzukaufen, ging nicht ganz so gut auf wie erwartet. Im etwas verwirrend aufgebauten Supermarkt brauchten wir deutlich länger als geplant, unter anderem, um unter zwanzig Sorten Samowar-tauglicher Instant-Nudeln die einzige ohne Fleischextrakt zu finden. Unangenehm knapp vor Abfahrt unseres Zuges verließen Ann-Katrin und Nico den Supermarkt und rannten mit Pia, die draußen auf glühenden Kohlen gesessen hatte, los in Richtung Gleise. Dort angekommen offenbarte sich allerdings schon das nächste Problem. Keiner der Züge auf der Abfahrtstafel schien unserer zu sein. Wir hetzen hin und her durch die gewaltige Bahnhofshalle und versuchten mehrere wartende Fahrgäste zu fragen, die aber entweder unseren Zug nicht finden konnten oder unser Anliegen nicht verstanden. Als wir allmählich immer nervöser wurden, fand Pia doch noch eine Schaffnerin, die uns den Weg zu unserem Zug weisen konnte. Nach einem sehr gehetzten Weg den Bahnsteig entlang bis zu unserem Waggon konnten wir schließlich unserer Provodnitsa Tickets und Pässe zeigen und endlich einsteigen.

Blick in unseren Waggon
Nico erholt sich im gemütlichen Bett

Sehr erschöpft bezogen wir unsere Betten in der Platskart – eins unten am Gang und zwei oben gegenüber. Unser „Abteil“ teilten wir mit dem achtjährigen Wanja und seinem Opa. Auch hier war die Kommunikation sehr schwierig, da wir kaum Russisch und die beiden kaum Englisch sprachen. Dennoch kamen wir ins „Gespräch“, der ältere Mann zeigte uns Bilder seines Hundes und brachte uns die Zahlen von eins bis zehn auf Russisch bei. Ansonsten waren die beiden eher ruhig, im starken Kontrast zu Olga, die über Pia das obere Gangbett bewohnte und deshalb den winzigen Tisch mit uns teilte. Olga war sehr redselig und ließ sich nicht davon beirren, dass wir offensichtlich kaum ein Wort verstanden. Ihren Redefluss unterbrach sie vor allem, um aus einer Dose, die sie unter dem Tisch versteckte, ein alkoholisches Getränk zu schlürfen. Mit der Zeit schöpften wir den Verdacht, dass sie nicht nur für uns unverständliches Zeug brabbelte. Dies bestätigte sich wenig später, als Wanjas ansonsten sehr zurückhaltender Opa sie lautstark zurecht wies, woraufhin sie sich beleidigt in ihr Bett verzog.

Einige Plätze weiter saßen zwei junge Russen, mit denen wir im weiteren Verlauf der Fahrt ins Gespräch kamen. Einer von ihnen, Egor, sprach sehr gut Englisch, während sein Freund Deniz das Gespräch überwiegend via Google Translate bestritt. Die beiden waren erstaunt über unsere eher ungewöhnliche Route und darüber, dass wir Platskart, also Dritte Klasse, fuhren. Bisher hatten wir uns darüber keine Gedanken gemacht, aber nach diesem Gespräch fiel uns auf, dass wir tatsächlich die einzigen Touristen in unserem Waggon zu sein schienen. Außerdem gaben uns zahlreiche Tipps, welche Städte und Orte wir bei unserem nächsten Russland-Aufenthalt besuchen sollten.

Als sich gegen Abend immer mehr Passagiere ins Bett begaben, taten wir es ihnen, erschöpft von den anstrengenden Tagen in Moskau, gleich und machten es uns auf unseren schmalen Pritschen den Umständen entsprechend gemütlich. Entgegen unserer Befürchtungen wiegte uns das stetige sanfte Rütteln des Zugs schnell in den Schlaf.

Unsere Provodnitsa im Gespräch
Unser Zug bekommt eine neue Lok

Den nächsten, relativ ereignisarmen Tag verbrachten wir bis auf einen kurzen Spaziergang bei einem längeren Stopp in Yekaterinenburg komplett im Zug. Wir schauten gefühlt stundenlang aus dem Fenster, unterhielten uns mit unseren Mitreisenden und teilten Essen und russisches Bier mit ihnen. Olga war frühmorgens ausgestiegen und ihr Platz von einem sehr schweigsamen älteren Herrn übernommen worden, der größtenteils für sich blieb. Im Laufe des Nachmittags fühlte sich der anfangs so fremde Alltag im Zug schon sehr vertraut an, und als wir uns abends schlafen legten, fühlten wir uns beinahe heimisch. Am nächsten Morgen erreichten wir sehr früh unseren Zielbahnhof Tobolsk, wo wir etwas erleichtert wieder festen Boden betraten.