Ergaki – Bear Country

31. August – 05. September 2019

Wir mussten feststellen, dass wir laut unserer Offline-Karte auf dem Handy ca. 8km von unserem eigentlichen Ziel ausgestiegen waren, dem Ergaki Park Visitor Center, von dem wir uns Kartenmaterial und Tipps für den Umgang mit Bären erhofften, von denen es im Park noch einige hundert geben soll. Wir überlegten, die Strecke zu Fuß zurückzulegen, entschieden uns aber dagegen, da die Straße recht kurvig und schmal war und reger Verkehr herrschte. Also beschlossen wir, unser Glück per Anhalter zu versuchen, und würden schon nach recht kurzer Zeit von einem Trupp Straßenarbeiter eingesammelt, die Verkehrsschilder entlang der Strecke austauschten. An unserem Ziel angekommen mussten wir zu unserem Entsetzen feststellen, dass sich an diesem Ort nur eine Hütte und eine kleine Ranger-Station befand, an der aber niemand Englisch sprach und keine Informationen zu erhalten waren. Schließlich stellten wir fest, dass das Visitor Center wenige hundert Meter von unserem Ausgangspunkt entfernt lag.

Wir stellten uns also wieder an die Straße und würden recht schnell von einem sehr freundlichen Mann mitgenommen, der uns an unserem Ziel einige Zedern-Zapfen in die Hand drückte und uns gestenreich erklärte, dass man die Kerne gut essen könne. Wir bedankten uns und betraten das Visitor Center, wo sich leider schnell herausstellte, dass auch hier wenig Informationen zu holen waren. Es gab nur eine einzige Karte, die sehr teuer und fürs Wandern absolut unbrauchbar war, und auch was Trinkwasser und Verhalten bei Begegnungen mit Bären anging erfuhren wir wenig Neues. Dafür konnten wir gegen ein paar Rubel Teile unseres Gepäcks die wir die nächsten Tage nicht brauchen würden, dort lagern. Außerdem rief die sehr hilfsbereite Angestellte das Busunternehmen an und erklärte ihnen, wo genau wir einige Tage später einsteigen wollten.

Nachdem wir fertig umgepackt hatten machten wir uns endlich auf den Weg, der uns schnell über recht schwierige Wege führte. Es gab keinerlei Beschilderung und die Karte die wir gekauft hatte nutze uns nur um einen groben Überblick über die Region zu bekommen. Deshalb verließen wir uns hauptsächlich auf Open Street Map auf dem Handy, was allerdings erstaunlich gut funktionierte. Viele winzige, kaum sichtbare Pfade waren trotzdem eingetragen. Die Gegend wurde schnell sumpfig, und immer wieder mussten wir ein Stück zurücklaufen oder kleinere Flüsse durchwaten. Nach wenigen Stunden erreichten wir einen kleinen See mit traumhafter Aussicht, wo wir unsere Zete aufschlugen. Anschließend packten wir unseren Gaskocher, unser Geschirr und alle Zutaten fürs Abendessen und entfernten uns ein gutes Stück von unserem Zeltplatz, um nicht durch die Essensgerüche Bären anzulocken. Während des Abendessens, als schon völlige Finsternis herrschte, kamen zwei sehr erschöpfte Russen vorbei. Sie wirkten etwas verzweifelt und hatten nur ein Handy dabei, das als Lichtquelle und Karte fungieren musste. Wir zeigten ihnen, auf welchem Weg wir gekommen waren und wünschten ihnen viel Glück. Anschließend verstauten wir unsere Lebensmittel und das Geschirr in sicherer Entfernung und begaben uns zu unseren Zelten.

Der „Sleeping Man“ von unserem ersten Schlafplatz aus.

Morgens erwachten wir zu Nieselregen und klatschnassen Zelten. Also verbrachten wir einen ruhigen Vormittag, frühstückten ausgiebig und fotografierten die malerische Umgebung, während unzählige russische Tagestouristen vorbeimarschierten und die Idylle, die wir uns ausgemalt hatten, lautstark störten. Als die Zelte endlich trocken und sicher verstaut waren, brachen wir auf zum sogenannten „Sleeping Man“. Dabei verließen wir die breiten Wege, die an unserem Zeltplatz vorbeigeführt hatten, kletterten über Geröllfelder und schlugen uns durch niedriges Gestrüpp. Wir kämpften uns einen ersten Pass hinauf, wo wir mit einer phänomenalen Aufsicht belohnt wurden. Nach kurzer Pause legten wir das kurze Stück zu einem wenige hundert Meter entfernten Pass zurück, wo uns eine beeindruckende, aber wenig erfreuliche Aussicht erwartete.

Das Tal, in das uns unser Weg als nächstes hatte führen sollen, war sehr finster und extrem dicht bewaldet. Von oben ließen sich keinerlei Wege ausmachen, und der Abstieg sah halsbrecherisch aus. Nach kaum hundert Metern verschwand der anfangs schmale Pfad ganz, und auch nach mehreren Minuten Suche konnten wir nicht herausfinden, wo er weiter verlaufen sollte. Wir entschieden uns also nach einer Weile, stattdessen auf der anderen Seite abzusteigen und direkt einen Zeltplatz anzusteuern, den wir sonst erst ein bis zwei Tage später hatten erreichen wollen. Auf dem Weg dorthin begegneten uns wieder einmal russische Ausflügler mit sehr leichter Ausrüstung, darunter mehrere kleine Kinder, die mit Flip-Flops über die Geröllfelder kletterten. Am Platz angekommen kochten und aßen wir an einem ruhigen See und gingen bald darauf schlafen.

Am nächsten Tag frühstücken wir entspannt auf einem großen Felsen neben unseren Zelten und machten uns dann auf den Weg. Selbiger verschwand allerdings schon nach wenigen Minuten, und wir verbrachten den restlichen Vormittag damit, querfeldein durch Unterholz zu stapfen und einen Pfad zu suchen. Nach viel hin und her und langer vergeblicher Suche wurden wir schließlich fündig und kamen anschließend wieder schneller voran. Nachdem wir einen sehr sanft, aber dafür auch sehr lange ansteigenden Pass erklommen hatten, machten wir eine hastige Brotzeit mit fantastischer Aussicht über die dichten Wälder im Tal und wanderten dann wieder zügig los, da wir vormittags viel Zeit verloren hatten und es schon spät wurde. Im Tal angekommen fanden wir nach kurzer Suche unseren bisher schönsten Zeltplatz, malerisch an einer Flußbiegung gelegen. Während des Abendessens fiel uns auf, dass nicht nur wir uns hier bärenwohl fühlen würden und begingen den Fehler, uns mögliche Bärenbegegnungen auszumalen. Auf dem Weg ins Bett meinten wir in jedem Schatten einen Bären zu erkennen und zuckten bei jedem leisen Knacken zusammen.

Frühstück am Fluss.

Am nächsten Morgen nutzten wir den Bach, um uns seit Tagen endlich einmal wieder gründlich zu waschen. Obwohl das Wasser eiskalt war, nahm Pia sogar ein ausgiebiges Bad. Danach brachen wir auf, durch sehr schwieriges Gelände. Die meiste Zeit führte unser „Weg“ über Baumwurzeln, Geröllfelder und Bachläufe, und immer wieder glaubten wir, den richtigen Pfad verloren zu haben. Schließlich kam es auch so und wir kämpften uns eine ganze Weile einen sehr steilen, dicht bewachsenen Hang hinauf, bis wir sehr erschöpft an einem traumhaften kleinen Bergsee ins Freie traten und dort auch wieder auf den gesuchten Weg trafen. Nach einer ausgedehnten Erholungspause brachen wir wieder auf und kamen kurze Zeit später an unserem Ziel für den Tag an, einem sehr hübschen Zeltplatz am Ufer eines malerisch gelegenen Sees. Trotz unserer Wegfindungsschwierigkeiten hatten wir unsere Tagesetappe früher als sonst beendet, daher verbrachten wir den ungewohnten freien Nachmittag sehr entspannt mit Lesen und Fotografieren. Abends kochten wir zum letzten Mal und freuten uns darüber, wie leicht unsere Rucksäcke am nächsten Tag sein würden.

Unser letzter Schlafplatz direkt am See.

Am nächsten Tag kamen wir später los als geplant, da unsere Zelte schlecht trockneten. Allerdings war unser Tempo deutlich zügiger als die Tage zuvor, da unser Weg, je näher wir dem Ende unserer Tour kamen, immer besser wurde. Von Anfang an war er, ungewohnterweise, klar markiert und teils sogar ausgeschildert, und gegen Ende war er sogar zu den Seiten hin begrenzt und an schwierigeren Stellen mit Stufen versehen. So erreichten wir früher als gedacht die Ranger-Station, zu der uns unser Weg irrtümlicherweise nach unserer Ankunft im Park gefügt hatte. Tramperfahren waren wir ja nun, und so stellten wir uns an die Straße, um eine Mitfahrgelegenheit zum Visitor Center zu finden, wo uns abends unser Bus abholen sollte. Während wir warteten, zog der Himmel zu unserer Beunruhigung immer weiter zu, und wir waren sehr erleichtert, als bald ein Auto anhielt. Zwei Russen, die während der kurzen Fahrt Kette rauchten und sehr laut Musik hörten, nahmen uns mit, wobei Pia aus Platzmangel mit einem Kindersitz vorlieb nehmen musste. Kaum hatten sie uns an unserem Ziel abgesetzt und wir uns ins Haus gerettet, begann es heftig zu regnen, und wir machten uns sehr erleichtert daran, unsere Rucksäcke umzupacken. Nach kurzer Zeit brachten uns die Angestellten des Centers heißen Tee und liehen uns sehr bequeme warme Hausschuhe, die wir dankend annahmen. Nach einiger Zeit gingen wir vor die Tür, um dort auf unserem Gaskocher Abendessen zu kochen. Dabei gaben wir uns große Mühe, möglichst mitleiderregend auszusehen, was uns aufgrund des anhaltenden Regens und der bitteren Kälte recht leicht fiel. Schon bald zeigten unsere Bemühungen den erwünschten Effekt, und wir wurden zum Kochen hineingebeten. Sehr erleichtert kochten und aßen wir im Haus, und wenig später war es auch schon an der Zeit, nach unserem Bus Ausschau zu halten.

Wir hatten zwar angekündigt, wo und wann wir abgeholt werden wollten, konnten uns der genauen Ankunftszeit des Busses aber nicht sicher sein. Also stellten wir uns eine gute halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit an die Straße und hielten Ausschau nach unserem Bus. In der Dunkelheit sahen von fern alle Laster aus wie Reisebusse, und bei jedem hofften wir, es sei unserer, und fürchteten, er würde uns übersehen und einfach vorbei fahren. Nach einiger Zeit rief Ann-Katrin plötzlich, dass sie unseren Bus erkannt hätte, und während wir beide noch rätselten, woran sie das gesehen hatte, hielt er auch schon neben uns an. Extrem erleichtert stiegen wir ein und versuchten, es uns bequem zu machen. Leider funktionierte dies weniger gut als auf der Hinfahrt, und so kamen wir nach etwa elfstündiger Fahrt sehr erschöpft in Krasnoyarsk an.