11. – 12. September 2019
In Irkutsk, das uns wieder mit Regen empfing, kauften wir zunächst noch Proviant für die nächsten Tage, die wir vor allem im Zug und Bus verbringen würden. Anschließend fuhren wir zum Bahnhof, wo am frühen Abend unser Zug nach Ulan-Ude abfuhr. Dieser Streckenabschnitt war der einzige, auf dem wir nicht Platskart fuhren, sondern uns ein Viererabteil in der zweiten Klasse gegönnt hatten. Dieses teilten wir mit einer jungen Russin, die nach kurzer Zeit sehr gesprächig wurde. Sie konnte kaum glauben, dass wir so lange durch Russland gereist waren, ohne mehr als ein paar Wörter Russisch zu sprechen oder auch nur zu verstehen. Dennoch unterhielten wir uns, wie so oft mit Hilfe von Google Translate, sehr nett und ausführlich mit ihr. Nach einem Transsib-typischen Instantnudel-Abendessen gingen wir früh schlafen, da wir schon am nächsten Morgen um kurz nach Fünf in Ulan-Ude ankommen sollten.
Zu nachtschlafender Zeit weckte uns also die Provodnitsa, und wir stolperten schlaftrunken aus dem Zug. Vor dem Bahnhof suchten wir ein Taxi, das uns zum einige Kilometer entfernten Busbahnhof bringen sollte. Dort angekommen erledigten sich unsere Pläne, die Stunden bis zur Abfahrt unseres Busses noch zu schlafen, da die Umgebung sehr düster und wenig vertrauenerweckend wirkte. Also harrten wir etwas unentspannt aus, bis etwa zwei Stunden später die Schalterhalle des Busbahnhofs geöffnet wurde. Dort trafen wir Jasmijn wieder, die im Gegensatz zu uns eine Nacht in Ulan-Ude übernachtet hatte. Da es online empfohlen wurde, hatten wir unser Ticket nach Ulan Bator im Vorfeld über ein Hostel in Ulan-Ude gebucht. In der Zwischenzeit hatte dieses allerdings den Hostelbetrieb eingestellt, sodass wir etwas nervös waren, ob wir unsere Tickets rechtzeitig beziehungsweise überhaupt erhalten wurden. Etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt des Busses wurden wir schließlich erlöst, als unser Kontaktmann erschien und mehreren erleichterten Leuten ihre Tickets aushändigte. Kurz darauf wurden wir zu unserem Bus gerufen und wir richteten uns für die planmäßig zehn Stunden lange Fahrt ein.
Der Bus war farbenfroh dekoriert, voller roter Vorhänge und Kordeln. Der Beginn der Fahrt verlief sehr ruhig, die Straße war gut und außen zog Sibirien an uns vorbei. Je mehr wir uns der Grenze näherten, desto mehr wandelte sich die Landschaft. Bäume und Wälder wurden seltener und gingen über in grüne Hügel und Steppe. Nach wenigen Stunden erreichten wir die russisch-mongolische Grenze. Dort mussten wir alle aussteigen und mit unserem Gepäck die Grenze passieren. Nachdem unser Gepäck und wir selbst mehrfach durchleuchtet und unsere Pässe gestempelt worden waren, kamen wir am mongolischen Einreiseschalter an. Unsere Einreise verlief sehr entspannt, dank unserer deutschen Pässe brauchten wir nicht einmal ein Visum. Jasmijn hatte weniger Glück, das Visum, das sie im Voraus für viel Geld über eine Agentur beantragt hatte, war ungültig, da es handschriftlich geändert worden war. Nach einem kurzen Schreckmoment wurde das Problem von den mongolischen Grenzbeamten aber sehr freundlich und schnell gelöst; sie bekam ohne große Formalitäten und ohne noch einmal etwas zahlen zu müssen ein gültiges Visum ausgestellt und wir konnten unsere Fahrt fortsetzen.

Direkt hinter der Grenze verschlechterten sich die Straßenverhältnisse dramatisch. War die Straße auf russischer Seite noch durchgängig asphaltiert und in gutem Zustand gewesen, so rumpelten wir auf mongolischer Seite über deutlich schlechteren Straßenbelag voller Schlaglöcher. Nach kurzer Zeit machten wir eine Mittagspause, wo wir bei fliegenden Händlerinnen, die auch einen Geldwechselservice anboten, unser erstes mongolisches Bargeld erhielten. Wir waren etwas erstaunt bis schockiert, da der größte Schein, 20.000 Tögrög, etwa 6,50€ entsprach und der kleinste, 10 Tögrög, etwa einem Drittel eines Cents. In dem Gebäude, an dem wir angehalten hatten, befand sich neben einem einem Notariat, einem Hotel und mehreren Büros auch ein Restaurant ohne eine einzige vegetarische Option auf der Karte. Wir beschränkten uns auf eine Tasse Tee, und nach kurzer Pause ging die Fahrt weiter.

Im weiteren Verlauf der Reise wurden die Straßen- und Verkehrsverhältnisse immer schlimmer. Asphalt wurde bald zu Mangelware, und stattdessen fuhren wir – in unserem Reisebus – über unbefestigte Schotter- und Sandpisten. Wir kamen sehr viel langsamer voran als wir erwartet hatten, und bald war klar, dass wir Ulan Bator erst recht spät abends erreichen würden. Darüber tröstete uns allerdings die fantastische Landschaft hinweg, in die wir uns mit jedem Meter mehr verliebten. Bald tauchten entlang des Wegs verschiedenste Tiere in großer Zahl auf, teils in gewaltigen Herden, teils in kleinen Gruppen oder einzeln. Dabei handelte es sich vor allem um Ziegen, Schafe, Kühe und Pferde.

Dennoch waren wir sehr erleichtert, als wir nach zwölf Stunden Fahrt endlich Ulan Bator erreichten. Unsere Erleichterung steigerte sich jedoch noch, als uns beim Aussteigen ein Fahrer unseres Hostels empfing. Wie sich herausstellte, hatte Jasmijn im Voraus mit dem Hostel einen Abholservice vereinbart, und alle zusammen brachen wir auf Richtung Sunpath Hostel. Dieses kurze Stück nahm aber aufgrund des fast vollständigen Verkehrskollapses in Ulan Bator, den unser Fahrer durch seinen fast ununterbrochenen Einsatz der Lichthupe bereicherte, noch einmal lange Zeit in Anspruch. Umso mehr freuten wir uns, als wir letztlich unsere Unterkunft erreicht hatten.