15. – 21. September 2019
Am nächsten Morgen standen wir zeitig auf und frühstückten, gespannt auf den Start unserer Tour. Nach kurzer Zeit holte uns Zaya, unsere Tourguide, die uns durch die nächste Woche führen sollte, ab. Wir schulterten unser Gepäck und trafen Sanjar, unseren Fahrer. Zusammen liefen wir etwa 15 Minuten zu unserem Bus, der aufgrund des monatlichen Auto-freien Tags ein gutes Stück entfernt geparkt war. Nachdem wir das Gepäck verstaut hatten, machten wir uns mit dem Bus vertraut, in dem wir einen großen Teil der nächsten Tage verbringen würden. Es handelte sich um einen alten russischen Van, bleigrau lackiert, wie wir ihn in Russland und in unserer kurzen Zeit in der Mongolei schon hundertfach gesehen hatten. Im hinteren Teil des Busses befanden sich zwei einander zugewandte Sitzbänke, auf denen wir jeweils zu zweit Platz nahmen. Es gab keine Gurte, und durch die Kombination aus schwierigen Straßenverhältnissen und der eher niedrigen Decke mussten wir oft aufpassen, uns nicht den Kopf anzuhauen. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, fädelte Sanjar den Bus in den wahnsinnigen Verkehr von Ulaanbaatar ein.

Während wir uns aus der Stadt hinaus stauten, erzählte Zaya uns, was in den nächsten Tagen auf uns zukommen würde. Wir hatten während der Tourplanung schon einen groben Überblick bekommen, doch sie erklärte noch etwas mehr zu den einzelnen Stationen der Tour. Inzwischen begann sich die Landschaft draußen zu wandeln. Enge Straßen und Häuserblocks wurden zunächst immer mehr von Jurten, dann von grünen Hügeln abgelöst. Als wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, stoppten wir noch kurz für einen Großeinkauf. Zaya und Sanjar kauften den Großteil der Lebensmittel für die kommende Woche sowie eine große Menge Trinkwasser ein, und anschließend ging die Fahrt im inzwischen sehr schwer beladenen Bus weiter. Mit der sich verändernden Landschaft wandelte sich auch die Straße, Asphalt verschwand bald fast vollständig und wurde durch die vertrauten Sand- und Staubpisten abgelöst. Nach einiger Zeit stoppten wir zur Mittagspause an einem kleinen mongolischen Restaurant. Hier gestaltete sich die vegetarische Auswahl wie befürchtet eher schwierig. Es gab zwar Fleischgerichten in großer Zahl, aber nur eine einzige vegetarische Option; ein Trend, der sich fortsetzen würde. Nach der Pause änderte sich die Landschaft immer weiter, Häuser verschwanden vollständig, von einigen kleinen Raststätten entlang der Straße und einer Kleinstadt, der Provinzhauptstadt der Region Gobi, abgesehen. Dafür sahen wir unzählige große Herden, die oft von Hirten zu Pferd oder auf alten Motorrädern über die Straße getrieben wurden. Kühe verschwanden bald, dafür mischten sich in die Herden von Pferden, Ziegen und Schafen bald immer wieder Kamele.
Nach einigen Stunden Fahrt erreichten wir unser Ziel für den Tag – die „White Stupa“ , eine beeindruckende Felsformation, von deren Spitze aus wir einen fantastischen kilometerweiten Ausblick über die umliegende Steppe genossen. Nachdem wir die Gegend ausführlich erkundet hatten fuhren wir zu unserer Unterkunft, einem Jurtencamp ganz in der Nähe. Auf dem Weg dorthin übte Zaya mit uns einige Basisbegriffe auf Mongolische, was sich als sehr hilfreich erwies, als wir am Ziel unseren Gastgebern vorgestellt wurden. Das Camp wurde von einer sehr netten mongolischen Familie betrieben, die außer uns noch zwei andere kleine Reisegruppen zu Gast hatten. Gemeinsam aßen wir Nudeln mit Gemüse und für die meisten mit Hammelfleisch, die die Gastgeberin für uns vorbereitet hatte.



Wir bezogen unsere Jurte, erkundeten dann ein wenig die Umgebung und sahen uns die Herden der Familie, darunter auch eine größere Gruppe Kamele, an und genossen einen wunderschönen, aber leider auch bitter kalten Sonnenuntergang, bevor wir früh schlafen gingen.

Am nächsten Morgen riss uns der Wecker um fünf Uhr aus dem Schlaf. Da die Gegend so weitläufig war und der Sonnenuntergang uns sehr beeindruckt hatte, wollten wir auch den Sonnenaufgang sehen. Wir wurden nicht enttäuscht, die hinter Kamelen und Jurten aufgehende Sonne sah mindestens so spektakulär aus wie erwartet, und wir genossen den Ausblick, dick angezogen und in unsere Schlafsäcke gehüllt vor unserer Jurte sitzend. Nachdem wir das Schauspiel genossen und unzählige Fotos gemacht hatten, legten wir uns nochmal hin und wurden wenig später von Zaya geweckt, die uns das Frühstück brachte. Anschließend packten wir zusammen und brachen in Richtung unserer zweiten Station auf, des Yol Valley, eines felsigen Canyons in der Wüste. Nach etwa zwei Stunden Fahrt, in denen wir Unmengen an Herden und Raubvögeln gesehen hatten, stoppten wir fürs Mittagessen. Wie am Vortag gab es nur eine angeblich vegetarische Option, in der Pia und Ann-Katrin allerdings trotzdem kleine Fleischstückchen fanden.
Kurz nach dem Essen erreichten wir unser Ziel, den Eingang des Yol Valley. Wie Zaya uns erzählte, ist das Tal normalerweise ganzjährig zu großen Teilen von Eis und Schnee bedeckt, doch seit einigen Jahren taut es während der Sommermonate komplett. Unsere Enttäuschung verflog schnell, denn auch ohne Eis und Schnee war das Tal absolut malerisch. Während wir zwischen den Klippen wanderten, begegnete uns alle paar Meter ein Yak, und etwas später trabte eine Herde Pferde vorbei. Als wir uns dem Ende des Tals näherten, begegneten uns zwei ältere Mongolen, beide von ihnen Künstler. Einer malte seine Eindrücke aus dem Tal auf Leinwand, während der andere Tiermotive in aus dem Flusslauf gesammelte Steine schnitzte. Wenig später machten wir uns auf den Rückweg und kehrten zu unserem Bus zurück. Wir fuhren jedoch nur wenige hundert Meter und erreichten daher früh unseren Schlafplatz, ein kleines Touristencamp.




Da es noch sehr hell war erklommen wir einen nahegelegenen Hügel, von dem aus sich ein traumhafter Rundblick über die umliegende Gegend bot. Nach einer reichhaltigen Suppe wärmten wir uns noch mit einem Schluck unseres russischen Vodkas und legten uns anschließend schlafen.


Als wir am nächsten Morgen erwachten, herrschte vor unserer Jurte leichte Verwüstung. Einige Pferde waren während der Nacht durch das Camp gezogen und hatten dabei Pflöcke und Stühle umgeworfen. Wir halfen wieder etwas Ordnung zu schaffen und frühstückten im Sonnenschein vor unserer Jurte. Anschließend machten wir uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, den Khongor-Sanddünen. Lange bevor wir unser Camp für die Nacht am Fuß der Dünen erreichten, begann sich die Landschaft zu wandeln. Die Vegetation wurde noch spärlicher als ohnehin schon, und mit jedem Kilometer wurde der Boden sandiger, bis wir schließlich an echten, allerdings noch sehr niedrigen Dünen entlang fuhren. Gegen Mittag erreichten wir unseren Schlafplatz für diese Nacht, das Camp einer Familie, die neben den obligatorischen Schafen und Ziegen auch eine größere Herde Kamele hielt. Wie am ersten Tag trafen wir zunächst die Familie. In der sehr hübsch und aufwändig eingerichteten Familienjurte konnten wir den traditionellen Schnupftabak probieren. Wir taten uns dabei zunächst etwas schwer, und auch nachdem unser Gastgeber es uns noch einmal gezeigt hatte, spürten wir keine nennenswerte Wirkung. Außerdem tranken wir wieder Milktea und Ann-Katrin probierte sie einen Würfel, der Karamell zu sein schien, sich aber leider als eine Art vergorener Ziegenjoghurt herausstellte. Im Anschluss aßen wir in der Sonne Buchweizensalat, und nach einer kurzen Mittagspause wurden unsere Kamele gesattelt. Anders als unser Gastgeber beim Lostrotten gescherzt hatte, ritten wir nicht bis nach Ulaanbaatar, sondern nur eine etwa einstündige Runde. Unseres Kamele machten ihrem Spitznamen alle Ehre und schwankten uns gemütlich durch die Steppe. Während unseres Ritts kraulten wir immer wieder ihr flauschiges Fell. Als wir schließlich wieder das Camp erreichten, veranstalteten wir noch ein kleines Fotoshooting mit unseren Reittieren.




Wenig später machten wir uns auf den Weg zu den Sanddünen, um von ihrem Gipfel den Sonnenuntergang zu genießen. Der Aufstieg war sehr beschwerlich, doch der phänomenale Ausblick entschädigt uns dafür allemal. Allerdings herrschte oben ein schneidender Wind, der uns heftig den Sand um die Ohren blies. Wir öffneten eine Flasche Portwein und leerten sie, während die Sonne sank. Anschließend machten wir uns an den Abstieg, der im Gegensatz zum Aufstieg ein großes Vergnügen darstellte und auch sehr viel schneller erledigt war.





Wieder im Camp aßen wir zu Abend und gingen ins Bett, wobei wir unsere Jurte gegen eine kleine Ziege verteidigen mussten, die die Nacht lieber bei uns als bei ihrer Herde verbringen wollte und beharrlich an unserer Tür kratzte.
Am nächsten Tag war unser erstes Ziel ein geröllübersäter Hügel, auf dem Zaya uns alte Steinmalereien zeigen wollte. Leider fand sie trotz längerer Suche nicht den richtigen Weg und fuhren unverrichteter Dinge weiter. Wenig später aßen wir in einem kleinen Dorf zu Mittag und nutzten anschließend die dortige öffentliche Duschanlage, nach vier Tagen ohne fließendes Wasser eine wahre Wohltat. Nach kurzer Fahrt kamen wir an einem großen, leider wenig sympathischen Jurtencamp an, das bis auf uns und eine weitere Sunpath-Gruppe unbewohnt war.

Die Hauptattraktion dieses Tages waren die Flaming Cliffs, eine zerklüftete, in der untergehenden Sonne tiefrot leuchtende Felsformation. Nach Sonnenuntergang kehrten wir zum Camp zurück und veranstalteten nach dem Abendessen ein kleines Fotoshooting vor der offenen Jurte. Dies stellte sich als schwerwiegender Fehler heraus, da plötzlich unzählige Insekten hineinflogen und bald den gesamten Boden bedeckten. Wir besorgten einen Besen und gingen, als unsere Jurte wieder sauber war, schlafen.




Der nächste Tag begann gemütlich, wir frühstückten später als sonst und verbrachten den Rest des Vormittags im Bus. Unterwegs hielten wir einmal an, um doch noch Steinmalereien bestaunen zu können. Mittags gab es in einem kleinen Restaurant vegetarische Dumplings, die erstaunlicherweise sehr lecker waren. Danach führte unser Weg zum Kloster Ongi. Einst eines der größten Klöster der Mongolei, bewohnt von über tausend Mönchen, wurde es während der kommunistischen Herrschaft komplett zerstört. Seit einigen Jahren laufen zaghaft Versuche, es wieder zu eröffnen und aufzubauen. Zaya erklärte uns vieles über die in der Mongolei praktizierte Form des Buddhismus und führte uns durch die Ruinen und die neu entstehenden Schreine.





Im Anschluss ging es weiter zu der Familie, in deren Camp wir die Nacht verbringen sollten. Es folgte das bekannte Begrüßungsritual mit Milktea, Gebäck und Schnupftabak, wobei wir dieses Mal auch die berühmt-berüchtigte vergorene Stutenmilch namens Airag probieren durften. Der Geschmack war interessant, aber auch sehr gewöhnungsbedürftig, Nico trankt aus Höflichkeit mehr als ein paar Schlucke, was er wenig später bitter bereute, da unsere Mägen die vergorene Milch nicht besonders gut vertrugen.
Die Familie hatte zwei kleine Töchter, von denen sich eine sehr schnell auf Zaya und die andere auf uns vier fixierte. Während des Teetrinkens ließ sie sich von Pia zahlreiche Tiere malen, mit denen sie mal mehr, mal weniger zufrieden war. Im Hintergrund rührte die Mutter in einem riesigen Topf voller gärender Stutenmilch. Als etwas später die Pferde gemolken wurden konnten wir auch diesem ersten Schritt der Produktion beiwohnen. Leider schienen die Haltungsbedingungen der Tiere hier nicht so angenehm wie wir das inzwischen gewohnt waren, die zahlreichen Fohlen waren an kurzen Stricken eng aneinander angepflockt. Während wir das Melken beobachteten und die Pferde fotografierten, sprang die jüngere Tochter der Familie um uns herum, ließ sich Fotos zeigen und von Jasmin die Benutzung ihrer Kamera erklären. Kurz darauf machte sich die Familie allerdings auf den Weg in die nächste Stadt, und zu ihrem Leidwesen musste auch die Kleine mit, worüber sie sich lautstark beschwerte. Da nun etwas Ruhe eingekehrt war verbrachten wir einen entspannten Abend und versuchten unter anderem, diesen Blog auf einen aktuelleren Stand zu bringen.



Morgens führte unser Weg weiter nach Karakorum, der ursprünglichen Hauptstadt des mongolischen Reichs, Leider war von der Stadt selbst kaum noch etwas zu sehen, lediglich eine alte Mauer, die das ehemalige Zentrum der Stadt umschloss. Wir besichtigten zwei interessante, aber relativ neue Tempel und schlenderten anschließend durch einige der zahllosen benachbarten Souvenirläden.


Nach kurzer Weiterfahrt hielten wir an einigen winzigen Sanddünen, wo mehrere Tourbusse standen und andere Touristen auf sehr unglücklich aussehenden Kamelen ritten. Dies hob unsere Wertschätzung unser Kameltour und Dünenerfahrung nochmal auf ein ganz neues Niveau. Wir waren sehr erleichtert, als wir schließlich weiter und tiefer in einen malerischen felsigen Nationalpark hinein fuhren. Bald erreichten wir das letzte Camp unserer Tour, wie gehabt von Hunden, Schafen, Pferden und Ziegen bevölkert, aber noch ohne Menschen. Die Familie kam wenig später in einem Pickup angefahren, mit sechs lautstark singenden Kindern auf der Ladefläche. Nach kurzem Kennenlernen wurden für uns vier Pferde gesucht, eingefangen und gesattelt und wir brachen zu einem kleinen Ausritt auf. Unser Reitbegleiter, der kein Wort Englisch sprach, unterhielt sich trotzdem eifrig und gestenreich mit uns und demonstrierte sein beeindruckendes Repertoire an Tiergeräuschen. Pia hatte ein etwas gemütlicheres Pferd erwischt und versuchte es größtenteils erfolglos anzutreiben, während der Rest der Gruppe allmählich in der Ferne verschwand. Schließlich hatte unser Begleiter Erbarmen und ritt ein Stück zurück, um es in Gang zu bringen. Auf dem Rückweg zeigte sich nicht nur Pias, sondern unser aller Pferde deutlich motivierter und wir galoppierten Teile der Strecke. Abends gab es mongolisches Barbecue, Fleisch und Kartoffeln auf einem mit Dung beheiztem Ofen gegart. Später kamen Zaya und zwei der Kinder in unsere Jurte und zeigten uns Karten- und Würfelspiele, wobei letztere mit Schafsknöchelchen gespielt wurden. Im Laufe des Abends stießen auch noch die Eltern dazu, weshalb es in der Jurte sehr eng, warm und gemütlich wurde. Sie brachten eine Flasche hervorragenden Wodka mit, die sie mit uns teilten, und wir verbrachten gemeinsam einen der bisher schönsten Abende unserer Reise.





Nach dem Frühstück am nächsten Morgen wollten wir noch ein Foto mit der Familie machen, doch leider waren die Eltern schon unterwegs. Daher posierten wir mit den Kindern, der Großmutter und einer uns völlig unbekannten Frau, die gerade vorbei kam.

Wir machten uns auf und besichtigten unterwegs noch ein kleines Kloster, das zunächst zugesperrt war. Der Schlüsselträger sperrte uns die Tür auf, und nach kurzem Gespräch stellte sich heraus, dass er vor vielen Jahren in der Nähe von Nürnberg gewohnt hatte.
Während der Mittagspause schrieben wir heimlich Dankeskarten an Sanjar und Zaya, bevor wir uns in den schier endlosen Stau nach Ulaanbaatar eingliederten. Wieder am Hostel angekommen verabschiedeten wir uns schweren Herzens von den beiden und duschten danach erstmal ausgiebig. Anschließend gingen wir Kaffeetrinken und Einkaufen, aßen noch im Hostel zu Abend und gingen schließlich früh ins Bett, froh wieder in der Zivilisation zu sein, aber auch etwas wehmütig.