06. – 07. September 2019
Erschöpft von der langen, großteils schlaflosen Nacht machten wir uns in Krasnoyarsk auf den Weg zu einem Café in Bahnhofsnähe. Dort angekommen schafften wir es nach einigem hin und her, eine große Auswahl an vegetarischem Gebäck und erstaunlich guten Kaffee, leider in Einwegbechern, zu bestellen. Nach einem mehrstündigen Aufenthalt, den wir hauptsächlich mit Recherche und Postkartenschreiben verbrachten, machten wir uns wieder auf den Weg zum Bahnhof, wobei wir unterwegs noch Proviant einkauften. In unserem „Abteil“ saß auf dieser Strecke eine Mutter mit ihrer dreijährigen Tochter. Zuerst waren wir von dem lauten und extrem aktiven Kind etwas genervt, aber nach kurzer Zeit kamen wir mit der Mutter sehr nett ins Gespräch (natürlich via Google Translate). Das einzige größere Ärgernis während der weiteren Fahrt war der merkwürdige Schaffner, der uns, als wir abends schweigend neben seiner Kabine Zähne putzten anschnauzte, wir sollten nicht so einen Lärm veranstalten. Nach einer ansonsten ruhigen und für unsere Verhältnisse geradezu kurzen Fahrt (kaum 18 Stunden) kamen wir schließlich in Irkutsk an, dem sogenannten „Paris Sibiriens“.
Die vielgerühmte Stadt empfing uns mit ihrem prächtigen Bahnhof und ekelhaftem Nieselregen. Kaum hatten wir den Bahnhof verlassen, hielt eine Straßenbahn, die wir spontan als die richtige Linie erkannten. Wir quetschten uns in die ohnehin schon sehr volle Bahn und bekamen einen ersten Eindruck von Irkutsk. Leider konnte uns die Stadt zunächst nicht wirklich überzeugen. Die Straßen durch die unsere Fahrt führte waren großteils ziemlich grau und heruntergekommen, sehr viel Sowjet-Beton, verlassene und verfallende Gebäude und Straßen mit unzähligen Schlaglöchern. Das Gesamtbild wurde durch den Regen weiter getrübt. Daher waren wir sehr froh, als wir nach kurzer Fahrt und einigen hundert Metern zu Fuß an unserem Hostel ankamen, das sich als sehr gemütlich herausstellte. Nachdem wir uns eingerichtet und geduscht hatten, frühstücken wir im Hostel und da inzwischen der Regen aufgehört hatte, machten wir uns anschließend auf, Irkutsk eine zweite Chance für einen ersten Eindruck zu geben.


Unser Weg führte uns zunächst in Richtung des Kvartal 130. Irkutsk ist, wie andere große sibirische Städte, für seine schönen, mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Holzhäusern bekannt. Da die schönsten Beispiele dieser Architektur in der ganzen Stadt verstreut sind, ließ die Stadtverwaltung vor einigen Jahren ein eigenes Touristenviertel aufbauen. Hier wurden neu gebaute Imitationen solcher Häuser an Exemplare gereiht, die woanders abgerissen, abtransportiert und Stück für Stück wieder aufgebaut worden waren. Das Ergebnis, besagtes Kvartal 130, schockierte uns mit seiner beeindruckenden Hässlichkeit. Außer dutzenden identischen Souvenirshops, Touristenrestaurants und aufdringlichen Straßenmusikern hatte es nur eine große, sehr unsympathische Mall zu bieten. Nach sehr kurzer Zeit verließen wir das Kvartal wieder und sahen uns stattdessen eine nahegelegene, sehr schöne orthodoxe Kathedrale an. Im Anschluss aßen wir in einem kleinen, sehr russischen Restaurant verschiedenste gefüllte Teigtaschen.


Nachmittags sahen wir uns einen anderen Teil der Stadt an. Unser Weg führte an der Angara entlang, einem der größten Zuflüsse des Baikalsees. Wir verbrachten viel Zeit in verschiedenen Parks am Ufer und auf Inseln im Fluss, wo wir verschiedene kleinere Sehenswürdigkeiten besichtigten, unter anderem eine Statue von Nikolaus II., dem letzten Zar Russlands. Anschließend besuchten wir im Norden der Stadt die obligatorische Lenin-Statue und buchten unseren Bus nach Listvyanka, ans Ufer des Baikalsees. Nachdem wir noch kurz einige Vorräte für die nächsten Tage eingekauft hatten, begaben wir uns zurück zum Hostel.


Der nächste Tag begann früh und hektisch. Auf dem Weg zum Busbahnhof hatte unsere Straßenbahn eine längere Verspätung, weshalb wir sehr gestresst an unserem Ziel ankamen. Dort erfuhren wir durch eine Lautsprecherdurchsage, die ein sehr hilfsbereiter Russe für uns übersetzte, dass unser Bus eine halbe Stunde Verspätung hatte. Diese nutzte unser neuer Bekannter, um uns hilfreiche Tipps für Listvyanka zu geben. Nachdem der Bus schließlich kam verlief die Fahrt recht unspektakulär, und nach etwa einer Stunde kam schließlich der sagenumwobene Baikalsee in Sicht.