In unserem Hostel angekommen waren wir zunächst etwas überwältigt. Amy, die Rezeptionistin, war unglaublich freundlich und überschwänglich und redete unablässig auf uns ein. Unser Zimmer hatte zwanzig Betten, aber durch die Vorhänge vor den Betten und aufgrund der wenigen Gäste war es trotzdem sehr ruhig. Von Anfang an haben wir uns in diesem Hostel, dem „Song of Travel“, wahnsinnig wohlgefühlt. Alle Angestellten waren sehr herzlich, es wurden kostenlose kurze Touren und kleine Sprachkurse angeboten, der Gemeinschaftsbereich war großartig ausgestattet, unter anderem mit Gitarre und Klavier. Jeden Morgen wurde ein anderes Frühstück serviert, eins besser als das andere. Generell haben wir uns noch nie in einem Hostel so heimisch gefühlt wie in diesem.
Nachdem wir uns eingerichtet hatten säuberten wir zunächst unsere vom Trek sehr dreckigen Schuhe und unsere Kleidung, dann fuhren wir mit den vom Hostel gestellten Fahrrädern in die kleine Stadt und aßen in einem Dim Sum-Restaurant zu abend.
Die nächsten zwei Tage erkundeten wir mit den Fahrrädern die nähere Umgebung Nyaung Shwes. Zuerst zog es uns zu einem nahegelegenen Kloster, das eine größere, verwinkelte Höhle voller Buddha-Statuen beherbergte, am zweiten Tag fuhren wir in die andere Richtung zu zwei größeren, näher an der Stadt gelegenen und mehr frequentierten Klöstern. An einem Abend begleitete Amy uns und einige andere Gäste auf ein Dorffest, auf dem es traditionelle Musik und Tänze, Essens- und Verkaufsstände und zahlreiche Glücks- und Geschicklichkeitsspiele gab. Der Höhepunkt des Abends kam, als ein gewaltiger Papier-Ballon mit Kerzen bestückt wurde und mit Hilfe einer riesigen Wachs-Fackel unter Gesängen und Jubel in die Luft stieg und allmählich im Nachthimmel verschwand, ein Vorgeschmack auf das Ballon-Festival in Taunggyi, das wir zwei Wochen später besuchen wollten.
Der Abschied aus Nyaung Shwe fiel uns sehr schwer, obwohl wir uns nur recht kurz dort aufgehalten hatten. Sowohl das großartige Hostel als auch die Stadt an sich mit ihren kleinen Gässchen und unzähligen netten Restaurants hatte es uns sehr angetan. Da wir jedoch nur 28 Tage im Land bleiben durften und noch sehr viel vorhatten, zogen wir nach drei Tagen schweren Herzens weiter und fuhren mit dem Nachtbus nach Mandalay, der alten Hauptstadt einiger burmesischer Königreiche.
Sehr gespannt und voll Vorfreude kamen wir morgens am Büro des Touranbieters an, wo wir unseren Guide Kaka sowie unsere Reisegruppe für die nächsten drei Tage trafen. Die versprochene Gruppengröße von nur sechs Teilnehmenden wurde zwar weit überschritten, doch die Runde schien sehr nett zu werden und wir wanderten zu neunt aus dem Dorf hinaus. Dort legten wir gleich eine kurze Pause ein, um auf die zehnte Person zu warten, die ihren Abholdienst verpasst hatte und darum mit dem Motorrad hinterher gefahren werden musste. Kaka, der aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Kalaw stammte, nutzte die Zeit, um uns eine traditionelle Legende zu erzählen. Leider war seine Erzählweise etwas langatmig und verwirrend und die Moral der Geschichte für unseren Kulturraum recht frauenfeindlich, wodurch die erwarteten Lacher leider ausblieben und sein Publikum etwas verwirrt drein blickte. Davon ließ er sich zum Glück nicht beirren und als wir schließlich vollständig waren spielte er ein lockeres Kennenlernspiel mit uns. Dabei erfuhren wir, dass wir die kommende Zeit mit einem einem Brasilianer, einer Deutschen, einer Mexikanerin, einem Franzosen und vier Spanier*innen verbringen würden.
Zunächst liefen wir auf breiten, staubigen Wegen zwischen Feldern bergauf. Kaka erklärte uns, was angebaut wurde und grub hin und wieder Wurzeln und Gemüse aus und zeigte uns diese. Zwischendurch boten sich wunderbare Ausblicke auf die umliegende Hügellandschaft voller Felder, Dörfer und Pagoden. Hin und wieder durchquerten wir ein Dorf, wofür sich die Frauen in der Gruppe jedes Mal der burmesischen Kultur entsprechend, also mindestens bis zu Knien Ellenbogen, bedeckten. Bis auf wenige Ausnahmen handelte es sich bei den Behausungen um auf Pfählen stehende und aus Bambusstreifen gewobene Hütten. Vor vielen Häusern waren Planen ausgebreitet, auf denen Chillis, Erdnüsse, Getreide und Bohnen aller Art in der Sonne trockneten. Immer wieder kreuzten Wasserbüffel und ihre Hirten unseren Weg.
Im Laufe des Nachmittags stießen wir auf einen improvisierten Fußballplatz, der auf einem Plateau quer über den Weg verlief und auf dem sich eine große Gruppe jugendlicher ein Match lieferte. Wenig später erreichten wir das Dorf, in dem wir die Nacht verbringen würden. Eine Familie nahm uns in ihrem Haus auf, wo in einem großen Raum zu Grüßen des Hausaltars ein Matratzenlager aufgebaut war. Streng nach Männern und Frauen getrennt wuschen wir uns vor dem Haus am Brunnen, den eine niedrige Mauer umgab. Kaka und unsere Gastgeberfamilie kochten über offenem Feuer das Abendessen, Reis mit verschiedensten Gemüsecurries, welches wir gemeinsam in der Kochhütte zu uns nahmen.
Wir standen zum Sonnenaufgang auf, wurden dafür aber mit einem köstlichen Frühstück entschädigt. Es gab frittierte Fladen mit frischem Obst, Guacamole und Kartoffelcurry, und wir machten uns gut gestärkt wieder auf den Weg. Vormittags war die Landschaft sehr ähnlich wie am Vortag, wobei wir einen Zwischenstopp in Kakas Heimatdorf machten und dort seine Mutter besuchten. Nach der Mittagspause brachte uns Kaka in einem kleinen Dorf zwei burmesische Traditionen näher, zum einen den in Myanmar sehr beliebten, extrem süßen Tee mit Kondensmilch, zum anderen Betel. Dabei handelt es sich um eine Pflanze, deren Blätter mit Tabak, gelöschtem Kalk und Arekanuss gefüllt, gekaut und anschließend ausgespuckt werden. Einige aus unserer Gruppe, darunter auch Nico, probierten ein Blatt, wobei es keinem von ihnen besonders zusagte. Ein Nebeneffekt ist, dass sich beim Kauen die Spucke sofort dunkelrot färbt. Flecken von Betel-Spucke hatten wir in unserer kurzen Zeit in Myanmar schon unzählige gesehen, genau wie Personen mit dunkelrot verfärbten Mündern und Zähnen.
Im Laufe des Nachmittags führte unser Weg tiefer in den Dschungel hinein. Dort nahmen wir ein Bad in einem erstaunlich reißenden Fluss, bevor wir auf einen kleinen Berg stiegen und von dort die spektakuläre Aussicht genossen. Als wir uns an den Abstieg machten, zog der Himmel schlagartig zu und wir wurden von einem heftigen Wolkenbruch überrascht. Den Rest der Tagesetappe legten wir hastig im strömenden Regen zurück und erreichten schließlich das rettende Kloster, in dem wir die Nacht verbringen würden. Dort trafen wir eine zweite Gruppe, die genau wie wir mit Jungle King unterwegs war. Nachdem wir unsere durchweichte Kleidung zum Trocknen aufgehängt und unser Matratzenlager bezogen hatten, gab es Abendessen, das wie am Vorabend aus Reis mit verschiedenen Gemüsegerichten bestand, wobei die Auswahl noch einmal größer war.
Morgens gab es Pfannkuchen mit viel frischem Obst, wobei eine freche Katze aus dem Kloster Pia einen vom Teller stahl. In unseren noch nassen Jacken und Schuhen machten wir uns wieder auf den Weg. Bald lichtete sich der Dschungel und wir liefen wieder über rote Erde und durch Felder hindurch. Unser Weg iführte auch an einem beeindruckenden Canyon vorbei, an dessen Rändern Büffel bedrohlich nah an der Kante grasten. Nach einiger Zeit begannen kleine Kanäle unseren Weg zu kreuzen und die Besiedelung wurde dichter, bis wir schließlich, nach etwa 50km Gesamtstrecke, ein großes Dorf am Ufer eines sehr großen Kanals erreichten.
Dort bestiegen wir nach dem Mittagessen das Boot, das uns einmal komplett über den Inle Lake nach Nyaung Shwe fahren sollte. Die etwa 40-minütige Überfahrt war hochinteressant, wir konnten traditionelle Fischer, die ihre Boote mit Fußpaddeln steuern, beobachten, sowie viele andere Boote voller Touristen und Waren, vor allem Algen und Holz, die zu den Märkten in der Gegend gefahren wurden. Als wir schließlich die Stadt erreichten, bedankten wir uns bei Kaka, verabschiedeten uns von der Gruppe und machten uns auf den Weg zu unserem Hostel.
Zu unserem großen Entsetzen kam unser Bus nicht wie angekündigt gegen 6 Uhr morgens in Kalaw an, sondern schon um 3 Uhr. Völlig übermüdet schleppten wir uns zu unserer nahegelegenen Unterkunft, wo wir eine Weile in der Lobby schliefen, bevor wir unser Zimmer beziehen konnten. Nachdem wir noch einmal kurz geschlafen hatten, machten wir uns an die Planung der nächsten Tage.
Ein Trek von Kalaw an den etwa 50km entfernten Lake Inle steht auf der Must-Do-Liste jedes Myanmar-Reiseführers, und nachdem uns Stephan sehr von seinem Trek dort vorgeschwärmt hatte, war für uns klar, dass wir auch einen laufen würden. Nach kurzer Recherche entschieden wir uns für einen Anbieter und erkundeten noch die Stadt und ihre nähere Umgebung, wobei vor allem eine kleine Höhle voll hunderter Buddha-Statuen interessant war.
Abends aßen wir in einem hervorragenden nepalesischen Restaurant und gingen früh schlafen, um für den bevorstehenden Trek ausgeruht zu sein.
Für die Zeit in Yangon konnten wir uns bei Stephan einquartieren, der gerade in der Stadt lebte und den wir von den Pfadfindern kannten. Die ersten zwei Tage verbrachten wir damit, uns gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen, während Stephan uns die burmesische Küche und die Bar-Szene von Yangon näherbrachte. Besonders gut gefiel uns das typisch burmesische Straßen-Barbeque, bei dem man sich aus einer Auslage Spieße mit verschiedenem Gemüse, Tofu und Fleisch aussucht, die dann gegrillt werden. Auch die tagesfüllende Poolparty auf dem Dach eines großen Hotelturms blieb in Erinnerung.
Die nächsten beiden Tage erkundeten wir die Sehenswürdigkeiten der Stadt. In sengender Hitze schleppten wir uns durch Parks, sahen uns Kolonialarchitektur an und bestaunten unzählige, über und über vergoldete Pagoden. Dabei wurden immer wieder von Passant*innen angesprochen, die gerne ein Foto mit uns, bzw. vor allem mit Nico machen wollten. Teils erlebten wir bizarre Szenen, als sich Schlangen von Menschen bildeten, die auch ein Foto ergattern wollten. Ganz erklärlich war uns das nicht, da zahlreiche westlich aussehende Menschen unterwegs waren. Unsere Theorie ist, dass sie noch nie jemanden so hatten schwitzen sehen.
Die berühmte Shwedagon Pagode in der Mittagshitze. Gigantische Buddastatue in einem Kloster der Stadt.
Wie zu erwarten war eines der Highlights unserer Zeit in Yangon der Besuch der Shwedagon-Pagode, des Nationalheiligtums von Myanmar. Die schiere Größe der Anlage und das Funkeln der unzähligen vergoldeten Dächer, Säulen, Stupas und Buddhas waren überwältigend.
Die Shwedagon-Pagode.
Am letzten Tag unseres Aufenthalts begaben wir uns auf eine kleine Shopping-Tour, um uns dringend nötige luftige Hemden und Flip-Flops zu kaufen. Außerdem ließ Nico sich die Haare schneiden, wobei er statt der bestellten Rasur eine ausführliche Ohrenwäsche bekam. Nachmittags verabschiedeten wir uns von Stephan und fuhren zum weit außerhalb gelegenen Busbahnhof. Im dortigen Chaos gelang es uns nur dank der Hilfe unseres Taxifahrers, unseren Nachtbus nach Kalaw zu finden.
Buddah in voller Festbeleuchtung.
Der Abschied von Stephan fiel uns schwer, aber durch seine Erzählungen und Reisetipps für den Rest des Landes hatte er uns einen wunderbaren Start in unsere Zeit in Südostasien und besonders in Myanmar bereitet.
Im Gegensatz zu unserer Erfahrung in China verlief die Einreise nach Thailand völlig problemlos, aber dafür traf uns das Klima unvorbereitet. Während in Peking kühle, aber frühlingshafte Temperaturen geherrscht hatten und wir in der Mongolei keine zehn Tage vorher durch Schnee gestapft waren, liefen wir, als wir in Bangkok aus dem Flughafen traten, wie gegen eine Wand. Wir brauchten einen Moment, um uns an die die tropische Luftfeuchtigkeit und die auch nachts noch etwa 30 Grad zu gewöhnen. Wir orientierten uns kurz, bekamen dann ein Taxi zugewiesen und machten uns auf den Weg in die Stadt. Das Hotel, in dem wir zwei Nächte gebucht hatten, befand sich an der Khao San Road, einer berühmt-berüchtigten Backpacker-Partystraße im Herzen der Stadt. Dort angekommen waren wir zunächst sehr positiv überrascht, es war deutlich weniger los als erwartet, und auch die Lautstärke war absolut erträglich. Wir checkten ein und fielen sofort ins Bett.
Am nächsten Tag machten wir einige zaghafte Versuche, die Stadt zu erkunden, die wir aber bald wieder aufgaben. Wir planten, einige Monate später noch einmal nach Bangkok zu kommen und verbrachten diesen Aufenthalt zu großem Teilen in unserem Zimmer und im Pool auf dem Dach des Hotels. Als wir uns abends schlafen legen wollten, fiel uns unser Denkfehler vom Vortag auf – bei unserer Ankunft war es nur aufgrund der sehr späten Stunde so ruhig gewesen. Um Mitternacht herrschte auf der Straße noch infernalischer Lärm, und die Fenster waren nicht gerade schalldicht.
Nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht fuhren wir mit dem Bus zurück in Richtung Flughafen, um unseren Flug nach Yangon anzutreten, schon voller Vorfreude auf Myanmar, einem Land, von dem uns Ann-Katrin während der bisherigen Reise immer wieder vorgeschwärmt hatte.